Wenn wir im Zusammenhang dieser Zeit, deren Endpunkt das Osterfest ist, von „fasten“ reden, meinen wir damit nicht den radikalen Verzicht auf bestimmte Konsumgüter oder auch Nahrungsmittel. Fasten im biblischen Sinn bedeutet vielmehr, mit den Gaben Gottes und seiner Schöpfung verantwortungsvoll umzugehen und diese maßvoll zu gebrauchen. Dies schließt auch den Umgang der Menschen untereinander mit ein.
In der Zeit der alten Kirche wurden die Taufbewerber in der Fastenzeit einen beschwerlichen Bußweg geführt, damit sie frei würden von allen heidnischen Bindungen. Der Bußweg hatte seinen Höhepunkt in der Feier der Osternacht, in der dann die Bewerber getauft wurden. Daher gibt es heute in der Liturgie der Osternacht die Möglichkeit, Taufen vorzunehmen oder zumindest das „Taufgedächtnis“ zu feiern, wodurch wir an unsere Taufe erinnert werden. Auch uns, die wir bereits getauft sind, soll die Fastenzeit daran erinnern, dass wir den Weg des Herrn mitgehen. Dieser Weg führt uns durch Leiden und Tod zum Leben.
Unterbrochen wird die Fastenzeit durch die Feier der Sonntage, die nicht als Fastentage begangen werden können. Denn hier wird der Sieg Jesu über alle finsteren Mächte gefeiert. Daher ist die Dauer der Fastenzeit von alters her ohne die Sonntage gezählt worden, und man kommt so auf eine Dauer von 40 Tagen (Quadragesima). Diese Zahl erinnert an Mose (er blieb 40 Tage auf dem Berg Sinai – Ex 24, 18), an Elia (er wanderte 40 Tage durch die Wüste – 1 Kön 19, 8) und an Jesus Christus (er fastete 40 Tage, bevor er vom Satan versucht wurde – Mt 4, 1-11).
Die liturgische Farbe der Fastenzeit ist Violett. Sie ist die Farbe der Buße, des Gebetes und der ernsten Besinnung. Neben dem Halleluja verstummt nun im Gottesdienst auch das Gloria.
Die Bezeichnung „Kar“-Woche stammt vom alten deutschen Wort „Kara“ (= Trauer) her; die Kirche trauert um ihren Herrn und trägt Reue und Leid um ihre Sünde. Doch hat die Heilige Woche festliche Höhepunkte: Der Gründonnerstag als Tag der Einsetzung der Eucharistie lässt uns die Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott erfahren; das Osterfest selbst schenkt uns die Verheißung des ewigen Lebens.
Ursprung der Heiligen Woche ist gewiss das Osterfest selbst (darüber haben wir das biblische Zeugnis in Offb 1, 10, wo Johannes von dem „Tag des Herrn“ spricht), dem das Gedächtnis des Leidens Jesu vorgelagert wurde. Augustinus spricht vom heiligen „Triduum“ des gekreuzigten, begrabenen und auferstandenen Christus, das sich im Gebrauch der Kirche auf die Tage Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag verlagerte.
In Jerusalem feierte man schon im 3. Jahrhundert die ganze Heilige Woche, beginnend mit dem Sonntag Palmarum (Palmsonntag), endend mit der Feier der Oster-nacht. Hier bemühte man sich, den Weg Jesu so getreu wie möglich nachzugehen; alle Akte werden nicht nur in der Vorstellung, sondern real vollzogen: Das Volk geht mit dem Bischof hinab an den Ölberg und zieht dann wieder hinauf unter Jubelgesang: „Gelobet sei, der da kommt, im Namen des Herrn!“ Der Weg führt allerdings zur Grabeskirche, symbolisch verdeutlichend, dass Jesu Königtum durch das Kreuz begründet ist. Und so geht es fort. Die Osternacht wird in der Grabeskirche gefeiert, denn nirgendwo sonst kann die Auferstehung so deutlich werden wie an der Ruhestätte der Toten.
Von den acht Tagen der Heiligen Woche her empfängt der Christ Kraft und Mut, den Weg durch die Leiden dieser Welt zur Gemeinschaft aller Heiligen in der Auferstehung mit unserem Herrn Jesus Christus zu gehen. Das Kirchenjahr führt zu dieser Heiligen Woche hin, hat hier seinen Höhepunkt.